Das Reinheitsgebot
Eingestellt am: 05.03.2008 von Andre Linke
Das bayerische Reinheitsgebot von 1516
ist eine der ältesten lebensmittelrechtlichen Regelungen überhaupt, die im Unterschied zu früheren Brauordnungen landesweit verordnet wurde. Als Reinheitsgebot bezeichnet man (vor allem in Deutschland) eine gesetzliche Regelung über erlaubte Inhaltsstoffe im Bier. Vereinfacht wird diese Regelung landläufig bis heute noch so verstanden, dass ins Bier nur Hopfen, Malz und Wasser gehöre, was jedoch nur noch teilweise der tatsächlichen Rechtslage entspricht.
Es wurde am 23. April 1516 durch den bayerischen Herzog Wilhelm IV. in Ingolstadt erlassen. Dieser Erlass regulierte einerseits die Preise, andererseits die Inhaltsstoffe des Bieres. Es galt bis 1998 als das älteste Lebensmittelgesetz:
Item wir ordnen, setzen und wollen mit Rathe unnser Lanndtschaft das füran allenthalben in dem Fürstenthumb Bayrn auff dem Lande auch in unsern Stettn vie Märckthen da desáhalb hieuor kain sonndere ordnung gilt von Michaelis bis auff Georij ain mass über ainen pfennig müncher werung un von Sant Jorgentag biß auf Michaelis die mass über zwen pfennig derselben werung und derenden der kopff ist über drey haller bey nachgeferter Pene nicht gegeben noch außgeschenckht sol werden. Wo auch ainer nit Merrzn sonder annder pier prawen oder sonst haben würde sol erd och das kains weg häher dann die maß umb ainen pfennig schenken und verkauffen. Wir wollen auch sonderlichhen dass füran allenthalben in unsern stetten märckthen un auf dem lannde zu kainem pier merer stüchh dan allain gersten, hopfen un wasser genommen un gepraucht solle werdn. Welcher aber dise unsere Ordnung wissendlich überfaren unnd nie hallten wurde den sol von seiner gerichtsobrigkait dasselbig vas pier zustraff unnachläßlich so offt es geschieht genommen werden. jedoch wo ain brüwirt von ainem ainem pierprewen in unnsern stettn märckten oder aufm lande jezuzeutn ainen Emer piers zwen oder drey kauffen und wider unnter den gemaynen pawrfuolck ausschenken würde dem selben allain aber sonstnyemandes soldyemaßs oder der kopfpiers umb ainen haller häher dann oben gesetzt ist zugeben un ausschenken erlaube unnd unuerpotn.
Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landschaft, dass forthin überall im Fürstentum Bayern sowohl auf dem Lande wie auch in unseren Städten und Märkten, die keine besondere Ordnung dafür haben, von Michaeli (29. September) bis Georgi (23. April) eine Maß (bayerische, entspricht 1,069 Liter) oder ein Kopf (halbkugelförmiges Geschirr für Flüssigkeiten – nicht ganz eine Maß) Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller (gewöhnlich ein halber Pfennig) bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und ausgeschenkt werden soll.
Wo aber einer nicht Märzen sondern anderes Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen. Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.
Wer diese unsere Androhung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Fass Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtig weggenommen werden.
Wo jedoch ein Gastwirt von einem Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei oder drei Eimer (enthält etwa 60 Liter) Bier kauft und wieder ausschenkt an das gemeine Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemand erlaubt und unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als oben vorgeschrieben ist, zu geben und auszuschenken.
Auch soll uns als Landesfürsten vorbehalten sein, für den Fall, dass aus Mangel und Verteuerung des Getreides starke Beschwernis entstünde, nachdem die Jahrgänge auch die Gegend und die Reifezeiten in unserem Land verschieden sind, zum allgemeinen Nutzen Einschränkungen zu verordnen, wie solches am Schluss über den Fürkauf ausführlich ausgedrückt und gesetzt ist.
Einer der Gründe für die Verordnung war neben der Preisregelung wohl wieder die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung: Der wertvollere Weizen oder Roggen war den Bäckern vorbehalten. Der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer sieht einen weiteren Grund darin, den beruhigenden und zugleich konservierenden Hopfen zum Brauen zu verwenden und andere Zutaten, etwa Rosmarin oder Bilsenkraut, zu verbieten.
Bierbrauer waren im Mittelalter auf teils abenteuerliche Ideen gekommen, um ihrem Gebräu einen besonderen Geschmack zu verleihen oder es haltbarer zu machen. Um dunkles Bier zu erhalten, wurde kurzerhand Ruß zugegeben. Auch Kreidemehl kam zum Einsatz, um sauer gewordenes Bier wieder genießbar zu machen. Auch die Zugabe von Fliegenpilzen zur „besonderen“ Verfeinerung ist überliefert.
Von Hefe hingegen ist nirgends die Rede, obwohl sie für den Brauprozesses unabdingbar ist. Als Grund dafür wird häufig angenommen, dass die Existenz derartiger Mikroorganismen schlicht noch unbekannt war. Dies stimmt nur insofern, als die genaue Wirkungsweise der Hefe bei der alkoholischen Gärung unbekannt war. Hefe an sich war bekannt, Brauer gaben einfach das „Zeug“ vom letzten Gärvorgang der neu zu vergärenden Bier-Würze zu. Im Münchner Bäcker- und Brauerstreit war es bereits 1481 darum gegangen, ob die Bäcker den Brauern deren bei der Gärung gebildete Überschusshefe nach altem Brauch abkaufen müssen.
Problematische Diskussion
Von den deutschen Verbrauchern wird das Reinheitsgebot bislang überwiegend unkritisch befürwortet. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als es sich beim Reinheitsgebot nicht zuletzt um ein beliebtes Werbeinstrument des Deutschen Brauerbundes handelt, das zudem gern als Verbraucherschutzinstrument („ältestes Verbraucherschutzgesetz der Welt“) bezeichnet wird. Diese Betrachtung wird auch von den Medien überwiegend unkritisch übernommen und nur selten in Frage gestellt. Allerdings ist das Reinheitsgebot keineswegs frei von Widersprüchen und birgt einige in ihrem Schutzwert zumindest fragwürdige Regelungen in sich:
So werben beispielsweise bayerische Weißbierbrauereien damit, ihr Hefeweizenbier streng getreu dem Bayerischen Reinheitsgebot von 1516 herzustellen, nach welchem jedoch weder Weizen noch Hefe im Bier zulässig wären.
Die Verwendung von Malz, das nicht aus Gerste gewonnen wurde, wird für obergärige Biere erlaubt, nicht aber für untergärige.
Während für untergärige Biere nur Gerstenmalz verwendet werden darf, kann zunächst mit obergäriger Hefe vergorenem Bier in einer zweiten Gärung untergärige Hefe zugesetzt werden, sodass das Verbot, untergärige Biere aus den Malzen anderer Getreidesorten als Gerste herzustellen, nicht konsequent erscheint (die genannte Praxis ist aus produktionstechnischen Gründen besonders bei der gewerblichen Herstellung in der Flasche nachgegorener Weizenbiere sehr verbreitet).
Der Zusatz von Zucker ist in einigen Bundesländern für obergärige Biersorten verboten, in anderen erlaubt, für untergärige Biere generell verboten.
Während der Einsatz von Zucker teilweise erlaubt ist, ist der Einsatz anderer natürlicher Zutaten (wie etwa unvermälztem Getreide) nicht gestattet, während in anderen traditionellen Bierländern mit solchem Getreide beliebte Spezialitäten mit teilweise langer Tradition hergestellt werden.
Für die Herstellung für den Export bestimmten Bieres darf auch in Deutschland von den Bestimmungen des Reinheitsgebotes abgewichen werden.
Stabilisierungsmittel, die vor allem im automatisierten Brauprozess eingesetzt werden, wie zum Beispiel das Stabilisierungsmittel Polyvinylpolypyrrolidon (PVPP) – welches allerdings nur adhäsiv Polyphenole aus dem Bier entfernt, also nicht im eigentlichen Sinne zugesetzt wird, werden bis zu einem „technisch unvermeidbaren und gesundheitlich unbedenklichen“ Rückstand ohne Deklarationspflicht toleriert.
Das Reinheitsgebot ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen, insbesondere in Fachkreisen.
Befürworter der derzeitigen Rechtslage fürchten im Falle einer Liberalisierung in der Regel den Einsatz billiger Ersatzstoffe, Konservierungsstoffe und einen generellen Qualitätsverlust („Bierpanscherei“).
Kritiker des derzeitigen Reinheitsgebots fordern nicht immer dessen generelle Abschaffung, sondern häufig eine Liberalisierung, etwa für die zumindest teilweise Zugabe ungemälzten Getreides oder von Gewürzen und Früchten, was aus ihrer Sicht der starken Konzentration auf dem Deutschen Biermarkt und der von vielen bemängelten Vereinheitlichung der Biersorten („Einheitspils“) entgegenwirken könnte, eine Bereicherung des Biermarktes zur Folge hätte und kleinen Betrieben die Möglichkeit einer Nischenexistenz mit Spezialbieren böte.
Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Reinheitsgebot